05.04.2012

In memoriam - Prof. Dr. Theodor Schliesser

Am 21. März 2012 ist Theodor Schliesser im Alter von 90 Jahren verstorben. Angesichts seiner bis zuletzt ausgeprägten körperlichen und geistigen Frische kam die Todesnachricht für alle überraschend. 

Prof. Schliesser gehörte seit 1959 der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft als Mitglied an. Er war Gründungsmitglied des DVG-Ausschusses "Desinfektion in der Veterinärmedizin", der sich 1970 in Gießen konstituierte. Professor Schliesser leitete den Ausschuss bis 1985. In Anerkennung seiner Verdienste um die Gründung und die Arbeit dieses von ihm erfolgreich geleiteten Expertengremiums wurde er zum Ehrenmitglied der DVG ernannt. 

Professor Schliesser wurde 1922 in Wain, Kreis Biberach/Riß geboren. Nach dem Abitur im Jahr 1940 wurde er zum Kriegsdienst bei der Luftwaffe eingezogen und geriet 1943 in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Im Jahr 1947 nahm er, nach vierjähriger Internierung, das Studium der Veterinärmedizin an der Tierärztlichen Fakultät der Universität München auf, schloss es 1952 mit dem Staatsexamen ab und promovierte im gleichen Jahr. 1953 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter von Professor Meyn, zunächst im Bakteriologischen Institut Dr. Rentschler & Co in Warthausen und ab 1955 am Institut für Tierhygiene der Ludwig-Maximilians-Universität München. Hier, ab 1958 als Konservator und im später umbenannten Institut für Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenmedizin als Abteilungsleiter tätig, folgte 1961 seine Habilitation für das Fach "Mikrobiologie und Tierseuchen" mit der Verleihung der Venia legendi und der Ernennung zum Privatdozenten. Im Jahr 1967 wurde er zum "außerplanmäßigen Professor" ernannt. 1970 folgte Professor Schliesser dem Ruf auf den Lehrstuhl für Hygiene und Infektionskrankheiten der Tiere am Fachbereich Veterinärmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1989 Direktor des gleichnamigen Institutes war.

Die wissenschaftliche Aktivität und Kreativität von Prof. Schliesser belegen über 120 Publikationen in nationalen und internationalen Fachzeitschriften. Von diesen seien hier exemplarisch die Arbeiten auf dem Gebiet der Mykobakteriosen und Desinfektion hervorgehoben. Sein wissenschaftliches Interesse galt in erster Linie dem Gebiet der Rindertuberkulose, auf dem er weltweit als Kapazität galt. Seine Forschungsergebnisse zu diesem Themenkreis haben wesentlich dazu beigetragen, dass die Rindertuberkulose in der Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 10 Jahren nahezu getilgt werden konnte. Seine Beiträge zur Stalldesinfektion und besonders zur mikrobiologischen Prüfungsmethodik von Desinfektionsmitteln dienten als Grundlage einheitlicher Prüfungsrichtlinien und waren Voraussetzung zur Erstellung der DVG-Desinfektionsmittelliste für die Tierhaltung. Die wissenschaftlichen Erfahrungen von Prof. Schliesser fanden auch in einer Reihe vielbeachteter Fachbücher und Fachbuchbeiträge bleibenden Niederschlag. Hervorzuheben ist das zusammen mit Professor Blobel herausgegebene 5-bändige "Handbuch der bakteriellen Infektionen bei Tieren", das bereits wenige Jahre nach seinem Erscheinen als herausragendes Standardwerk in der veterinärmedizinischen Bakteriologie angesehen wurde.

Seinen Lehrverpflichtungen, die neben Vorlesungen in der Infektions- und Seuchenlehre und über die Infektionskrankheiten der Tiere auch den Unterricht  in Tierhygiene umfassten, ist Prof. Schliesser besonders gerne nachgekommen. Im Kollegenkreis und bei Studierenden war er ein beliebter und geachteter Hochschullehrer. Während seiner Gießener Zeit führte er über 50 Veterinärmediziner zum "Dr. med. vet." und zwei seiner Schüler zur Habilitation.

Neben seinem Engagement für Forschung und Lehre hat Prof. Schliesser in der Selbstverwaltung der Universität Gießen und in der Standespolitik Hervorragendes geleistet. In den Jahren 1976/77 und 1983/84 war er Dekan des Fachbereiches Veterinärmedizin und gleichzeitig Vorsitzender des Deutschen Veterinärmedizinischen Fakultätentages. Viele Jahre war Prof. Schliesser außerdem Fachgutachter der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Er gehörte als Mitglied dem wissenschaftlichen Veterinärausschuss der Europäischen Gemeinschaft an, außerdem war er „Associated Member of the Scientific Committee of the International Union against Tuberculosis“ und "Member of the Advisory Panel on Zoonoses" in der WHO. 

Prof. Schliesser war kein Mann des großen Pathos, sondern des ruhigen und soliden Arbeitens. Seine vorbildliche menschliche Haltung, basierend auf Verständnis, Hilfsbereitschaft, aber auch der Fähigkeit zu stets sachlicher, konstruktiver Kritik war Grund für seine große Beliebtheit.

Kollegen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nehmen Abschied von einem besonders liebenswerten Menschen, anerkannten Wissenschaftler und hochgeschätzten akademischen Lehrer, dessen kluges Wirken und persönlicher Einsatz über viele Jahre die Arbeit in unserem Institut und der DVG geprägt haben.

Wir alle werden Prof. Dr. Theodor Schliesser ein ehrendes Andenken bewahren.

Georg Baljer
Reinhard Weiß       
Rolf Bauerfeind       
Werner Herbst