10.04.2012

DVG-Ehrenvorsitzender Dr. Hans-Otto Schmidtke verstorben

Nachruf  Dr. med. vet.  Hans-Otto Schmidtke

Am 3. April 2012 verstarb nach kurzer schwerer Erkrankung im Alter von 83 Jahren  der Ehrenvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Kleintiermedizin in der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DGK-DVG) und Ehrenmitglied der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG).
Wir erfüllen die traurige Pflicht, das Leben und Wirken dieses  großartigen Tierarztes zu würdigen.

Am 19. Juli 1928 wurde Schmidtke in Meseritz (Grenzmark Posen-Westpreußen) geboren. Seine Jugend und Schulzeit fiel in die Wirren des 3. Reiches und des Weltkrieges. Im Januar 1945 verließ er das Gymnasium in Schneidemühl mit dem vorgezogenen Abitur und wurde dann zum Reichsarbeitsdienst eingezogen, war sogar noch einige Wochen Soldat und kam in britische Gefangenschaft. Die Familie war nach Peine übergesiedelt und dort machte er einen Übergangskurs für die Zulassung zum Studium der Veterinärmedizin. Im Sommersemester 1946 schrieb er sich zum Tiermedizinstudium an der Tiermedizinischen Hochschule in Hannover ein und beendete das Studium 1950 mit dem Staatsexamen. 1951 erhielt Schmidtke dann die Approbation. Er promovierte 1951 zum Thema: "Über die Schmerzempfindung der Tiere."
Schon sehr früh erwachte sein Interesse für die Kleintiermedizin, und so war es nur folgerichtig, als sich eine frei werdende Stelle als wissenschaftlicher Assistent in der noch jungen Kleintierklinik bot, dass er diese annahm.  Kleintierklinik und Institut für Pharmakologie wurden in Personalunion von Professor Dr. Dr. h.c. Richard Völker geleitet und so rutschte Schmidtke sehr schnell auch auf die Position eines Oberassistenten in der Klinik für Kleine Haustiere.

Im Jahre 1953 heiratete er  Dr. Dorothee Ruhnau, ein Con-Semester und jetzt tätig als wissenschaftliche Assistentin im gleichen Haus im Institut für Pharmakologie. Eine Tochter Andrea wurde 1957 in Karlsruhe geboren.
Bei einem ersten kleinen Kongress, es war mehr ein Treffen von gleichgesinnten an Kleintiermedizin Interessierten, der von Schmidtke und Mitassistenten  unter Anleitung von  Prof. Völker verantwortlich  gestaltet und durchgeführt worden war, wurde beschlossen, sich regelmäßig zu solch einem Gedankenaustausch zu treffen.

Am 20./21. Februar 1955 lud Prof. Völker zu einer ersten Fachtagung  kleintierinteressierter Kollegen in die Kleintierklinik nach Hannover ein. Völker rief dazu auf, eine Vereinigung speziell für Kleintiermediziner zu gründen. Hier war es besonders auch Hans-Otto Schmidtke, der sich in der Geburtsstunde der Fachgruppe Kleintierkrankheiten sehr engagierte und diese dann 1957  zusammen mit Völker und Mitstreitern wie Rosenhagen, Prieur, Rodenbeck, Niemand und Gehring u.a. in das Arbeitsgebiet IV, "Klinische Veterinärmedizin" der Deutschen  Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) überführte.

Im Jahre 1956 ließen sich Dr. Hans-Otto Schmidtke und seine Ehefrau Dr. Dorothee Schmidtke nach gründlicher Standortanalyse mit einer Kleintierpraxis und Klinik für Kleintiere in Karlsruhe nieder. Privat lebte man inmitten schöner Weinberge in Karlsruhe-Stupferich und die Klinik war in der Stadtmitte in der Stephanienstraße gelegen. Später, dies war der ganze Stolz der Familie Schmidtke, wurde die Klinik in die eigenen Räume in die Hoffstraße verlegt.
Professor Völker hatte immer großen Wert auf eine wissenschaftlich geprägte praktische Ausbildung seiner Mitarbeiter gelegt. So war es nur folgerichtig, dass Schmidtke auch als niedergelassener Fachtierarzt für Kleintiere weiter in diesem Sinne arbeitete und daher nicht nur eine hervorragende private Kleintierpraxis und -klinik führte, sondern stets auch die Wissenschaft im Auge behielt. Zahlreiche beachtenswerte wissenschaftliche Veröffentlichungen (51) aus der Praxis der Schmidtkes, viele Vorträge auf unseren Tagungen und Kongressen waren das Ergebnis. Es war das uneigennützige Empfinden Schmidtkes, die Kollegenschaft an den gewonnenen Erkenntnissen teilhaben zu lassen.

Viele junge Kollegen/innen erhielten ihre hervorragende Ausbildung und Weiterbildung in dieser Praxis. Eine große Zahl von Tierarzthelferinnen wurde in der Klinik ausgebildet. Fachlich stets auf hohem Niveau, vorbildlich im Umgang mit den Mitarbeitern und Kollegen, menschlich einwandfrei und fair, durchaus aber auch anspruchsvoll, so war das Klima in der Klinik und im Hause Schmidtke.

Nach sehr engagierter und erfolgreicher Tätigkeit in Karlsruhe übergaben Schmidtkes 1985  ihre große Klink in jüngere Hände und zogen sich zurück in den Norden Deutschlands nach Schleswig-Holstein, wo das lange etwas vernachlässigte Hobby, das Segeln, intensiv gepflegt werden sollte. Viele Segeltörns mit Freunden und Kollegen waren neben dem gemeinsamen Erlebnis Anlass für intensive Gespräche und Diskussionen, deren Ergebnis später in die Arbeit der Fachgruppe einfloss und zu kritischen und fruchtbaren Stellungnahmen und Leserzuschriften führten. Einen wirklichen Ruhestand gab es für Schmidtke jedoch nicht, denn er  war fortan, von 1985 bis 2002, Schriftleiter und Herausgeber der Berliner Tierärztlichen Wochenschrift (BMTW).
Es ist ein großes Verdienst Schmidtkes, dass er, sicher früh beeinflusst von Prof. Völker, sich stets für die Kleintiermedizin und deren Verbreitung  eingesetzt hat. So war es folgerichtig, dass er berufspolitisch aktiv wurde.
Von dem ersten Versuch, eine Tagung für Kleintiermediziner 1955 zu organisieren, bis zur heutigen Bedeutung der DGK-DVG, dies alles trägt die Handschrift und maßgebliche Beteiligung Hans-Otto Schmidtkes.
Die ersten erfolgreichen Tagungen zu den Kleintierkrankheiten führten 1957 zum Anschluss an die DVG als Fachgruppe innerhalb des Arbeitsgebietes "Klinische  Veterinärmedizin". Diese Fachgruppe (FK-DVG) entwickelte sich, wie die Kleintiermedizin überhaupt, sehr schnell zu einer beachtlichen Größe und einer Einheit, die gepflegt werden musste. Es gab Bestrebungen aus der Gruppe, eigenständig und unabhängig zu werden. Es ist Schmidtke gewesen, der erkannte, dass unser Platz weiterhin unter dem Dach der wissenschaftlichen DVG sein sollte. In sehr schwierigen und langwierigen Verhandlungen hat er dem DVG-Vorstand viele heute geltenden Privilegien abgerungen, übrigens Dinge, die später anderen Fachgruppen auch zu Gute kamen. Die Fachgruppe Kleintierkrankheiten (FK-DVG), die heutige DGK-DVG, war und ist immer noch die erfolgreichste Gruppe in der DVG, in der das Motto "Wissenschaft für die Praxis" einen großen Stellenwert hat.

Schmidtke war seit 1957 Leiter der Fachgruppe Kleintierkrankheiten in der DVG, er war zweimal Vorsitzender der Fachgruppe und als solcher Veranstalter eines Jahreskongresses. Im Jahre 1961 war die FK-DVG die offizielle sogenannte "deutschsprachige Gruppe der World Small Animal Veterinary Association (WSAVA)" und vertrat die Kleintiermediziner aus Österreich und der Schweiz, da die Vereinigung Österreichischer Kleintierpraktiker (VÖK) und die Schweizerische  Vereinigung für Kleintiermedizin (SVK) noch nicht gegründet waren. Zur Gründung und Selbstständigwerdung von VÖK und SVK hat Schmidtke ganz wesentlich in der WSAVA  beigetragen.

Seit 1965 war Schmidtke als Leiter der FK-DVG  regelmäßig auf den Kongressen der WSAVA und wirkte sehr intensiv als deutscher Vertreter im Vorstand mit. So wurde ihm, 1984 aufgrund seiner Anerkennung durch die internationale Kollegenschaft und seines besonderen Engagements die Ehre angetragen, Präsident der World Small Animal Veterinary Association (WSAVA) zu werden. Von 1984 bis 1986 führte er als Präsident diesen Weltverband, von 1986 bis 1988 war er Senior-Vice-President und weiterhin Mitglied des Advisory Boards der WSAVA. In dieser Zeit erfolgte die Gründung der Federation of European Companion Animal Veterinary Associations (FECAVA). Es gab schwierige Verhandlungen mit der World Veterinary Association (WVA) über mehr Rechte und es wurde eine neue WSAVA-Satzung erarbeitet und verabschiedet. In der Funktion als WSAVA Präsident veranstaltete Schmidtke  zusammen mit der FK-DVG und Eberhard Magunna einen Weltkongress 1984 in Hamburg.
Für seine großen Verdienste international wurde er 1985 Ehrenmitglied der französischen Vereinigung der Kleintiermediziner (CNVSPA) und 2005 erhielt er den Weltpreis "WSAVA-Waltham Preis für außergewöhnliche Leistungen um den Berufsstand".

Dr. Hans-Otto Schmidtke hatte seine Lebensaufgabe  für die Kleintiermedizin in Westdeutschland, im wiedervereinigten Deutschland, im europäischen Ausland und auch weltweit  in der Vermittlung von Wissenschaft für Universität und Praxis gesehen. Damit hat er die Kleintiermedizin national und international gefördert und zu größtmöglicher Ausbreitung verholfen.

Für diese außerordentlichen Verdienste wurde Schmidtke die Ehrenmitgliedschaft der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) angetragen.

Er erhielt zusammen mit seiner Ehefrau 1987 die höchste Auszeichnung, die die DGK-DVG vergibt, die Richard-Völker Medaille. 

Die Dammann-Medaille der Tierärztlichen  Hochschule, ein Preis, mit dem Tierärzte ausgezeichnet werden, die sich durch die Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis besonders verdient gemacht haben, wurde ihm 1998 überreicht.

Das Bundesverdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland wurde Schmidtke 1984 für seine Verdienste um die gesellschaftspolitische Bedeutung der Veterinärmedizin verliehen.

Für die Tierärztekammer (TÄK) Baden-Württemberg und die Bundestierärztekammer war Schmidtke in zahlreichen Gremien für die Weiterbildungsordnung zum Fachtierarzt und die Ausbildung der Tierarzthelferinnen engagiert. So hat er maßgeblich in anspruchsvollen Sitzungen die Fachtierarztordnung in Stuttgart und Bonn mit erstellt. Ebenso war  für ihn, der immer sehr fürsorglich mit seinen ihm anvertrauten Tierarzthelferinnen war, die Ausarbeitung der Richtlinien für Tierarzthelferinnen, heute Tiermedizinische Fachangestellte, besonders wichtig. Sein Engagement in der  Tierärztekammer Baden-Württemberg wurde mit Ehrenzeichen der TÄK und besonders der Verleihung der Nieberle-Plakette der TÄK Baden-Württemberg belohnt.

Als Ehrenvorsitzender der DGK-DVG, der er seit 1990 ist, hat Hans-Otto Schmidtke weiterhin regen Anteil am Fachgruppengeschehen genommen. Mit seinem umfangreichen Wissen und seiner unschätzbaren Erfahrung trug er bei den Vorstandssitzungen und im persönlichen Gespräch mit scharfem Verstand und beeindruckender Eloquenz dazu bei, historische Entwicklungen und Zusammenhänge zu verstehen und diese bei fachgruppenpolitischen Entscheidungsprozessen in den Überlegungen zu berücksichtigen.
Wir haben einen großen Tierarzt, einen Menschen mit  unschätzbaren Eigenschaften, mit einem  vorbildhaften Charakter, einen wahrhaften Freund verloren.


Sein Andenken werden wir stets in guter, ehrenvoller  Erinnerung behalten.
Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind bei seiner ebenfalls sehr schwer erkrankten Frau und seiner Familie.


Dr. Klaus-Peter Vick, Oldenburg, Ehrenvorsitzender der DGK-DVG
Dr. Friedrich Röcken, Schleswig, Leiter der DGK-DVG
Professor Dr. Volker Moennig, Hannover, Vorsitzender der DVG